Blended Counseling

Von der Idee zur Umsetzung

Krankheiten werden gegoogelt, Kredite über Direktbanken im Internet ohne Face-to-Face-Gespräch abgeschlossen, Getränke und Lebensmittel digital nach Hause bestellt und Erziehungsthemen über Social Media diskutiert. Großeltern lesen abends per Toni-Box den Enkelkindern eine Geschichte vor, der nächste Reifenwechsel-Termin wird digital gebucht und Freunde verabreden sich per Messenger. Wenn die Menschen (in Münster) ganz selbstverständlich digital kommunizieren, ihre Lebenswelt immer digitaler wird, warum werden wir von der Caritas Münster nicht ein Teil dieser Lebenswelt? Mit einer Website allein ist es heute nicht mehr getan. 

Deshalb haben wir letztes Jahr einen Projektantrag bei der Stiftung Wohlfahrtspflege NRW „Digitale Zugänge gestalten“ gestellt. Ziel unseres Projektes: Innerhalb eines Jahres bietet ein Großteil unserer Beratungsdienste Blended Counseling an. 

Was genau ist Blended Counseling?

Aber was genau ist Blended Counsling überhaupt? Für Prof. Dr. Martina Hörmann (https://www.blended-counseling.ch/) bedeutet Blended Counseling die systematische, konzeptionell fundierte, passgenaue Kombination verschiedener digitaler und analoger Kommunikationskanäle in der Beratung. Um diesen Mix an Beratungskanälen zu ermöglichen, stehen bei uns in der Caritas Münster die verschiedenen Kanäle gleichberechtigt für die Ratsuchenden zur Verfügung. Es gibt keinen richtigen oder falschen Kanal. Auch sehen wir die digitalen Angebote nicht als „Fischernetz“, das die Menschen digital „einfängt“, um sie anschließend in die Präsenzberatung zu holen. Nein, bei uns sollen die Ratsuchenden selbstbestimmt entscheiden, über welchen Zugang sie mit uns in Kontakt treten wollen. Ob die Beratung anschließend ausschließlich über den gewählten Kanal weitergeführt wird, die Beratungskanäle gemixt werden oder auf einen anderen Beratungskanal gewechselt wird, besprechen unsere Berater:innen mit den Ratsuchenden individuell. 

Blended Counseling bedeutet einschneidende Veränderungen für die Beratung

Bei der Einführung von Blended Counseling in die Beratungsdienste der Caritas Münster mussten wir nicht ganz bei null anfangen. Seit 2017 beschäftigen wir uns in der Bratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche intensiv mit der Frage, wie wir unsere Zugänge erweitern bzw. wie wir bezogen auf die Lebenswelten der Menschen in Münster passgenauere Beratungskanäle anbieten können. Kein einfaches Unterfangen, immerhin ist die Einführung von neuen, digitalen Zugängen nicht mal eben im Vorbeigehen erledigt. Vielmehr handelt es sich um einen Veränderungsprozess mit deutlichen Auswirkungen für die Beratungsdienste. Sie betrifft:

  1. die Organisation (u.a. Ausbau der technischen Ausstattung, Einbindung in das verbandliche Qualitätsmanagement), 
  2. die Beratenden (u.a. Kompetenzerweiterung, Transfer analoger Methoden in die digitale Beratung) und 
  3. die Zielgruppe (u.a. digitale Teilhabe, veränderte Beratungsdynamiken).

Vorher nicht geahnte Herausforderungen tauchen auf und altvertraute Anforderungen aus der Präsenzberatung (u.a. Fallverteilung) rufen auch im Blended Counseling „Hallo, hier! Beachtet uns!“ 

Start Blended Counseling im Sommer 2019

Zurück zur Familienberatung: Im Frühsommer 2019 sind sechs Berater:innen der Caritas Münster mit dem neuen Beratungsformat gestartet. Wir wollten nah an der Lebenswelt der Menschen sein und haben uns deshalb entschieden, für die digitale Beratung (neben der seit über 10 Jahren angebotenen Caritas-Onlineberatung) einen Messenger zu nutzen. Die Datenschutzbestimmungen haben uns die Auswahl nicht gerade einfach gemacht. Letztendlich hat sich der Messenger „Wire“ in unserem Entscheidungsprozess (Bericht über unseren Entscheidungsprozess siehe NeueCaritas Ausgabe 15/2019) durchgesetzt. Somit konnten wir die Beratungskanäle Face-To-Face, Telefon und geschützte textbasierte Beratung (über die Caritas-Onlineberatung) um die Zugänge Messenger-Chat und Video erweitern. Die erste Evaluation nach einem halben Jahr war so positiv, dass ab Februar 2020 alle Familienberater:innen technisch und fachlich dazu in der Lage waren, Blended Counseling anzubieten. Knapp vier Wochen vor dem ersten Lockdown…

Blended Counseling als Erfolgsgeschichte im Lockdown

Die Einführung und Nutzung der erweiterten Zugänge war gerade in den beiden Lockdowns eine Erfolgsgeschichte. Quasi über Nacht konnten (fast) alle Beratungsgespräche über digitale Kanäle plus Telefon weitergeführt werden. Ermutigt durch die positiven Erfahrungen in der Familienberatung haben wir uns zum Ziel gesetzt, Blended Counseling bei den sozialen Beratungsdiensten einzuführen. Dank der Stiftung Wohlfahrtspflege NRW haben wir seit Anfang Januar bis Ende 2021 die personellen Ressourcen, das Projekt umzusetzen. 

Was euch im Blog erwartet

In diesem Blog wollen wir nach und nach von unseren Erfahrungen im Projektverlauf berichten und so anderen Trägern Wissen an die Hand geben, die Blended Counseling einführen wollen. Im nächsten Blogbeitrag wird es um unsere Erfahrungen in den ersten Projektwochen gehen. Wie sind wir gestartet, welche Ideen hatten wir, auf welche Herausforderungen sind wir direkt gestoßen, was lief gut und welche Stolpersteine sind uns begegnet? 

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