PRESSEMITTEILUNG   Erschienen am: 09.11.2023

1000 Menschen demonstrierten für ein soziales Münster

Kundgebung der AG Wohlfahrt auf dem Prinzipalmarkt

Münster bleib sozial! Am Mittwoch, 8. November, haben während der Sitzungen des Rats der Stadt Münster und seines Hauptausschusses rund 1.000 Menschen für den Erhalt der sozialen Angebote vor dem Münsteraner Rathaus demonstriert. Die Botschaft an die Politik war deutlich: Wenn jetzt nicht gehandelt wird, ist das schleichende Sterben der sozialen Infrastruktur nicht aufzuhalten. Zur Kundgebung aufgerufen hatte die Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege.

Eindrucksvolles Zeichen für eine soziale Stadtgesellschaft in Münster setzten die Demonstrietrenden auf dem Prinzipalmarkt

Gemeinsam forderten die in der AG Wohlfahrt zusammengeschlossenen münsterschen Wohlfahrtsverbände AWO, Caritas, Der Paritätische, DRK und Diakonie die politischen Entscheidungsträger:innen auf, Entscheidungen zu treffen, die ein verlässliches soziales Angebot für die Menschen in Münster erhalten. Eine auskömmliche Finanzierung auf lokaler Ebene bleibe aus. In Münster sei die zwischen der Stadt und den Wohlfahrtsverbänden getroffene Vereinbarung zur „kostendeckenden Gesamtfinanzierung“ nicht mehr gewährleistet. Die Folge sei eine strukturelle Unterfinanzierung.

Hinzu kämen drohende Kürzungen im Bundeshaushalt und Preissteigerungen, die sich nicht im Landeshaushalt abbilden würden, zeichneten die Vertreter:innen auf der Kundgebungsbühne ein düsteres Bild. Eine Reduzierung von Öffnungszeiten, Schließung von Angeboten und drohende Insolvenzen wären die Folge. Ohne eine .berprüfung und Neuausrichtung der existierenden Förderpraxis in Münster sei davon auszugehen, dass sich freie Träger beispielsweise ganz aus Angeboten zurückziehen müssten, da sie die stetig steigenden Eigenmittelbedarfe nicht erfüllen können.

Betroffen von der desolaten Lage ist der gesamte Bereich der Daseinsvorsorge: von Kita und OGS über Beratung, Betreuung und Therapie bis hin zur Pflege. „Münster aber muss sozial bleiben!“ Denn für die Menschen, die auf die sozialen Angebote angewiesen seien, seien diese existenziell. Fast jede und jeder ist irgendwann im Leben auf soziale Unterstützung angewiesen: beispielsweise bei der Suche nach einem Kita- oder Ganztagsbetreuungsplatz für die Kinder oder einem Pflege- oder Therapieplatz für ältere oder kranke Angehörige. Umbrüche und Unsicherheiten führen dazu, dass Beratungsstellen die steigenden Nachfragen in Bereichen wie Wohnungslosigkeit, Sucht, Migration, psychischen Erkrankungen etc. kaum bewältigen können. Lange Wartezeiten oder das Wegbrechen von sozialen Angeboten bedeutet für die Hilfesuchenden jedoch eine Katastrophe.

Angelika Krüger*, alleinerziehende Mutter zweier Kinder, die regelmäßig das Angebot des Beratungsund BildungsCentrums der Diakonie nutzt, ist davon überzeugt, dass die Beratungsstellen den schwächsten Gliedern in der Kette helfen würden, dass sie nicht zusammenbrechen. Auch der 51-jährige Rudolf, der bereits seit vielen Jahren die Hilfe des niederschwelligen Drogenhilfezentrums Indro e.V. in Anspruch nimmt, sagt: „Ich bin auf die Unterstützung der Einrichtung angewiesen. Wenn ich erneut in ein Tief geraten würde und Indro mir nicht mehr helfen könnte, dann wär‘ das mein Untergang.“

Nico Schmidt* ist erst 17 Jahre alt. Aufgewachsen ist er in einem prekären, von Armut und Gewalt geprägten Umfeld. Er ist sich sicher, dass er ohne die Unterstützung des Jugendausbildungszentrums (JAZ) der Caritas auf der Straße landen würde und keine Perspektive hätte.

„Die Politik muss endlich die Menschen stärker in den Blick nehmen. Eine sterbende soziale Infrastruktur wirkt tief in die Gesellschaft hinein mit schwerwiegenden Folgen für die Leidtragenden und hohen sozialen Folgekosten“, so der Sprecher der AG-Wohlfahrt, Markus Wallmeier von der Arbeiterwohlfahrt. „Als AG Wohlfahrt fordern wir eine angemessene Anerkennung und Unterstützung sozialer Einrichtungen und Angebote, die Worten Taten folgen lässt. Wir erwarten die Sicherung einer nachhaltig stabilen sozialen Infrastruktur mit einem klaren Bekenntnis zur Trägervielfalt genauso wie die Wertschätzung der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden, die Außerordentliches leisten, um die schwierige finanzielle Lage auszugleichen, deren Kräfte aber erschöpft sind.“

Die Politik müsse endlich erkennen, dass die soziale Infrastruktur systemrelevant sei. Das müsse sich auch in ihrer Prioritätensetzung widerspiegeln. Es könne nicht in ihrem Interesse sein, dem Sterben der sozialen Infrastruktur tatenlos zuzusehen. „Der Preis dafür ist zu hoch! Es steht zu viel auf dem Spiel“, warnte die AG Wohlfahrt die Politik auch mit Blick auf die Kollateralschäden. „Es ist fünf vor zwölf: Ihr müsst jetzt endlich handeln!“

Auch vor dem Düsseldorfer Landtag und in anderen Städten Nordrhein-Westfalens gingen erst kürzlich Tausende Menschen auf die Straße, um auf die desaströse Lage aufmerksam zu machen.

Fotos der Galerie: Sven Mörth