Erschienen am: 26.05.2025

Unsichere Lage für Geflüchtete aus Syrien

Beratung des Fachdienstes für Integration und Migration mit Unwägbarkeiten

Münster. Die Situation vieler geflüchteter Menschen aus Syrien ist derzeit von großer Unsicherheit geprägt und wird durch unklare rechtliche Perspektiven und fehlende politische Entscheidungen zusätzlich belastet. Der Fachdienst für Integration und Migration (FIM) bei der Caritas Münster erlebt die Sorgen der Betroffenen unmittelbar und bemüht sich um Aufklärung.

 

 

 

Caritas-Vorstand Sebastian Koppers, Charlotte Michalke, Beraterin für Geflüchtete und Marie Brückmann, Leiterin des Fachdienstes Migration (von links) weisen auf die prekäre Lage von Klient:innen aus Syrien hin.

Es sind bewegte Zeiten, was die Themen Flucht und Migration in Deutschland angehen: Richtungswechsel, Gesetzesänderungen, eine generell aufgeheizte Stimmung; all das schlägt seine Wellen, die in der Beratungsstelle des FIM in der Goldstraße ankommen und auf die die Mitarbeitenden reagieren müssen.

Ein Ereignis, das seine Wellen bis heute schlägt, ist der Sturz des Assad-Regimes in Syrien vor rund fünf Monaten. Schnell wurden öffentlich Forderungen laut, syrische Geflüchtete könnten nun wieder in ihr Herkunftsland zurückkehren. Die Bearbeitung laufender Asylanträge ist seit Anfang Dezember ausgesetzt; bis jetzt trifft das BAMF keine Entscheidungen. Die Menschen befinden sich seitdem in einer zweifachen Unsicherheit: Wie geht es in Syrien weiter und kann ich in Deutschland bleiben?

Der Umgang mit ungewissen Perspektiven gehört zur täglichen Arbeit der Mitarbeitenden des Fachdienstes; dennoch beschreiben sie die aktuelle Situation für syrische Menschen als besonders untragbar. „Für uns ist es im Moment schwierig überhaupt an aktuelle Informationen zu kommen, teilweise weil es auch einfach noch keine Entscheidungen gibt. Deshalb können wir vielen Ratsuchenden ihre Ungewissheit auch nicht nehmen“ berichtet Charlotte Michalke, Beraterin für Geflüchtete.

Die Lage in Syrien ist nach wie vor unübersichtlich. Nach Angaben von Caritas international leben rund 90 Prozent der syrischen Bevölkerung in Armut, ein großer Teil der Infrastruktur ist zerstört. In einem Land ohne funktionierende soziale Sicherungssysteme ist es kaum möglich, sich eine gesicherte Existenz aufzubauen. Kurdische, alawitische, christliche und drusische Minderheiten u.a. sind weiterhin großen Risiken ausgesetzt. Für sie ist Syrien momentan kein sicheres Land. Trotz offizieller Bekenntnisse zur Achtung von Minderheiten kam es zuletzt wieder zu schwerer Gewalt, darunter ein Massaker an der alawitischen Gemeinschaft und die Angriffe auf die drusische Bevölkerung, bei denen hunderte Zivilist:innen getötet wurden.

Eine große Zahl an Syrer:innen haben in Deutschland längst Fuß gefasst. Sie sprechen Deutsch, gehen einer Arbeit nach und haben sich ein neues Leben aufgebaut. Sie besitzen unbefristete Aufenthaltstitel oder die deutsche Staatangehörigkeit. Diese Menschen haben erst mal weniger zu befürchten, was ihr Bleiberecht angeht. Schwieriger ist es für diejenigen, die noch nicht so lange hier sind, noch im Asylverfahren sind und/oder Schwierigkeiten beim Erlernen der deutschen Sprache und bei der Integration in den Arbeitsmarkt hatten. Alleinerziehende Mütter, Menschen mit kognitiven Einschränkungen, psychisch erkrankte Menschen, ältere Menschen, unbegleitete minderjährige Geflüchtete – diejenigen, die es ohnehin schon schwerer haben, trifft die jetzige Unsicherheit am meisten. Die psychische Belastung, die die politische Debatte in Deutschland und die Situation in Syrien mit sich bringen, wirkt sich jedoch auf alle aus.

Dies zeigt sich in der täglichen Arbeit der Beratungsstelle. Jeden Mittwoch sitzt das Team hier zusammen und verteilt die eingegangenen Fallanfragen. Ethnische und religiöse Zugehörigkeit, sozio-ökonomischer Status, Bildung, familiäre Konstellation, etc. – all das hat Einfluss darauf, ob es die Menschen jetzt wieder in ihr Herkunftsland zieht oder ob sich die Situation für sie dort verschlimmert hat. Eine achtköpfige Familie freut sich auf die lang geplante und nun anstehende Rückkehr nach Syrien; ein anderer Klient, dessen Leben in Syrien bedroht ist, weil er zu einer Minderheit gehört, kämpft verzweifelt darum, seine Frau und Kinder nachzuholen. Seine Hoffnung wird durch die im Koalitionsvertrag angekündigte Aussetzung des Familiennachzugs zerstört.

Diese Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte (was auf die meisten Syrer:innen zutrifft) für zunächst zwei Jahre, kritisiert der Fachdienst scharf. Die Regelung sendet ein widersprüchliches Signal: Integration wird erwartet, gleichzeitig werden zentrale Voraussetzungen wie familiäre Stabilität bewusst erschwert.

Neben den Sorgen der Ratsuchenden hat auch der Fachdienst selbst mit eigenen Unsicherheiten zu kämpfen: „Die Finanzierungen unserer Beratungsangebote ist sehr schlecht, im letzten Jahr mussten wir Stellen abbauen, obwohl der Beratungsbedarf steigt. Die Richtung, die die Politik jetzt auch mit dem Koalitionsvertrag einschlägt, macht uns große Sorgen“, so Sebastian Koppers, Vorstand der Caritas Münster.

Der Fachdienst fordert, dass die Politik die komplexen und vielfältigen Lebensrealitäten der geflüchteten Menschen stärker berücksichtigt. „Statt die Diskussion über Bleibeperspektiven auf Erwerbstätigkeit zu reduzieren, muss der Mensch in seiner gesamten Situation im Mittelpunkt stehen, mit Blick auf Schutz, Familie und langfristige Integration“ so Marie Brückmann, Leiterin des Bereichs Migration.